Interviews

Fischer am Rathaus e.K.

Familienbetrieb seit 1848

Dortmunder Volksbank: Herr Martens, Sie sind heute zu Besuch bei Ihrem Mitglied und Kunden Fischer am Rathaus in Dortmund – seit wann kennen Sie die Firma?

Michael Martens: Fischer am Rathaus ist ein Traditionsunternehmen, welches man komplett auf uns umschreiben kann: Als geborener Ur- Dortmunder finde ich es toll, wie sehr doch diese Tradition, zu Fischer zu gehen, Bestand hat. Wie die Zeit dort im positiven Sinne stehen geblieben ist und dass Tradition dort mit jeder Pore geatmet wird. Und das immer wieder neu zu erleben, wie die Menschen genau das suchen. Denn nicht umsonst sind die Schlangen vor dem Laden zu jeder Tages- und Nachtzeit quasi gegeben, weil sie wissen, was sie da an Besonderem haben und bekommen – das finde ich gut!

Heiner Fischer
Heiner Fischer

Dortmunder Volksbank: Herr Fischer, wie würden Sie Ihr Unternehmen beschreiben?

Heiner Fischer: Wir sind ein klassischer handwerklicher Bäckereibetrieb und seit unserer Gründung 1848 eine Spezialitätenbäckerei. Eine Besonderheit ist, dass es uns einmalig und ausschließlich hier am Standort Dortmund gibt – man muss uns aufsuchen, um unsere Waren zu bekommen. Insofern sind wir Traditionalisten durch und durch. Wir bieten solide handwerklich gemachte Backwaren nach Traditionsrezept, die es nur bei uns gibt. Hier bei uns ist die Zeit stehen geblieben, damit bedienen wir eine Sehnsucht nach der guten alten Zeit. Unsere Kund*innen kommen aus Dortmund, aber auch aus Essen, Bochum oder dem Sauerland und weither zu uns und kaufen kulinarische Köstlichkeiten nach grundsolider alter Handwerkskunst.

Dortmunder Volksbank: Seit wann und in wievielter Generation betreiben Sie die Firma?

Heiner Fischer: Wir sind ein ganz traditionelles Familienunternehmen und backen seit 176 Jahren in Dortmund mit traditionell handwerklicher Methode – ich leite unser Unternehmen in sechster Generation in direkter Folge. Der Gründer Johann Gottfried Fischer, mein Ur-Ur- Ur-Großvater, war selbst Sohn eines Holzhändlers und errichtete auf dem von seinem Vater erworbenen Grundstück in Dortmund in den Anfangsjahren nach 1848 ein Bäckereigebäude. Den Namen verdankt unser Unternehmen ursprünglich seiner Lage nahe dem alten Dortmunder Rathaus, das sich als ältestes steinernes Rathaus Deutschlands vom 13. Jahrhundert am Alten Markt befand.

Dortmunder Volksbank: Warum wurde Ihr Unternehmen damals gegründet und wie ging Ihre Geschichte weiter?

Heiner Fischer: Die ursprüngliche Bäckerei Fischer am Rathaus befand sich an der Ecke Brauhaus- und Balkenstraße. Dort waren diverse Brauereien der Stadt angesiedelt. Es gab ja damals zu den Blütezeiten der Berg- und Montanindustrie, der Zechen und Kokereien viele Dortmunder Brauereien: Brinkhoff, Thier, Stade, Union (DUB), Löwen, Ritter, Stifts, Hansa, Kronen, Bergmann, DAB. Aus der Zeit stammt unser Dortmunder Salzkuchen, der laut Familienchronik 1848 erstmals gebacken worden sein soll: ein deftig-resches, knusprig-krosses, solides Salzbrötchen, das man, mit Mett oder Schwartemagen belegt, hervorragend zum Bier essen kann, welches dann noch mal so gut schmeckt. Bis heute erfreut sich unser Salzkuchen allergrößter Beliebtheit und gehört zur Dortmunder Tradition, natürlich auch im Stadion beim BVB. Von Anfang an aber waren wir eine Weißbrot- und Zwiebackbäckerei. Das war etwas Neues, denn um Dortmund herum wuchs damals nur Roggen – und meine Vorfahren haben eigens Weizen aus der Soester Börde besorgt, um Weißbrot backen zu können. Der Haltbarkeit wegen erfolgte die Verarbeitung zum Zwieback, der nun im Haushalt immer vorgehalten werden konnte. Etwas ganz Besonderes zur damaligen Zeit und für uns ein Alleinstellungsmerkmal. Bis heute backen wir mit regionalem Getreide, so beziehen wir etwa unseren Dinkel aus Benninghofen. Heute bieten wir etwa 30 Sorten Brot und Brötchen an, dazu etwa 20 Sorten Kuchen und Gebäck. Unser Sortiment umfasst aber immer noch die traditionellen Spezialitäten unserer langen Familiengeschichte – neben den Salzkuchen, dem Weißbrot und dem Zwieback sind dies auch unser Herdstuten, der einen Roggenanteil enthält, unsere Vollkornbrote mit Früchten oder zum Advent unser Stollen. Bei uns steckt immer Handarbeit darin.

Dortmunder Volksbank: Wie hat sich Ihr Unternehmen entwickelt?

Heiner Fischer: Unser Bäckereigebäude am alten Rathaus wurde im Zweiten Weltkrieg beim verheerenden Luftangriff auf Dortmund am 6. Oktober 1944 durch drei Bomben getroffen und komplett zerstört. Das Einzige, was übrig blieb, war unser Backofen. Also ging es provisorisch weiter im notdürftig wiederhergestellten Erdgeschoss. Durch die gute Nachbarschaft wurden wir von der Kronenbrauerei mit Wasser versorgt, sodass wir sogleich wieder für die Menschen in Dortmund backen konnten. Durch die Neuordnung der Altstadt war eine Wiedererrichtung unseres Bäckereigebäudes am Alten Markt nicht möglich, sodass wir an unserem heutigen Standort in der Betenstraße bauten, den wir 1959 bezogen. Damit waren wir wieder in der Nähe des alten Stadthauses und sind heute auch nahe dem 1989 errichteten neuen Rathaus – unser Name hat also weiter seine Richtigkeit. Womit ich nicht sagen will, dass das neue Rathaus nur aufgrund unserer alteingesessenen Bäckerei seinen neuen Dortmunder Standort erhalten hat ...
Seither sind wir jedenfalls hier ortsansässig. Mit unserem Erweiterungsbau 2014/15 konnten wir unsere Bäckerei vergrößern und im Obergeschoss unser Konditoreicafé nach heutigen Maßen einrichten und betreiben. Eine schöne Sache, denn jetzt können unsere von weither angereisten Kund*innen sich von uns verwöhnen lassen – mit Frühstück, Mittagessen und unseren köstlichen Kuchenspezialitäten.

Dortmunder Volksbank: Welche Rolle spielt die Dortmunder Volksbank für Ihr Unternehmen?

Heiner Fischer: Die seinerzeitige Gewerbebank, heute Dortmunder Volksbank, ist seit ihrer Gründung vor 125 Jahren ein verlässlicher Partner für unser Unternehmen. Durch die direkte Nachbarschaft bestand immer ein gutes Verhältnis zur Bank. Man kennt sich einfach. Als wir 2014 unser Nachbargrundstück bebauten, um unsere Bäckerei zu erweitern, hat die Dortmunder Volksbank unser Vorhaben unkompliziert unterstützt. Gute Nachbarschaft erfordert ein Vertrauensverhältnis, und das stimmt beiderseits.

Dortmunder Volksbank: Herr Martens, wie wichtig ist Fischer am Rathaus für die Stadt?

Michael Martens: Fischer am Rathaus ist einfach eine Dortmunder Institution. Die gab es schon immer und wird es immer weiter geben. Dortmund ohne Salzkuchen? Undenkbar! Die Leute stimmen hier mit den Füßen ab – und manchmal müssen sie auch etwas Zeit mitbringen, aber im Kuchenduft lässt es sich geduldig warten und man trifft auch immer Leute. Für uns in der Dortmunder Volksbank ist Fischer am Rathaus natürlich der kürzeste Weg – wir sind unmittelbare Nachbarn und der Weg aus der Bank führt quasi in die Bäckerei. Interessant ist eine erstaunliche Parallele: Bei Fischer blieb nach der Bombardierung nur der Backofen intakt, bei unserer Genossenschaftsbank nur der Tresor – also in beiden Fällen nichts als der Kern des Geschäftes, der Nukleus, aus dem alles wieder errichtet werden musste – und konnte. Beide haben wir mit unseren Traditionsmodellen alle Krisen und Kriege überstanden und sehen positiv in die Zukunft.

Dortmunder Volksbank: Herr Fischer, welches Alleinstellungsmerkmal hat sich Ihr Unternehmen erarbeitet?

Heiner Fischer: Fischer am Rathaus gilt als ein urtypisches Dortmunder Unternehmen und als Teil der lokalen Tradition. Darum kooperieren wir auch mit anderen alteingesessenen Dortmunder Unternehmen als Botschafter des traditionellen Handwerks, etwa der traditionsreichen Hövels Hausbrauerei oder Dortmunder Traditionslokalen mit unseren Salzkuchen, und engagieren uns für Dortmunder Initiativen. Im Jahr 2016 haben wir z. B. das westfälische Brustzentrum mit einer gemeinsamen Aktion unterstützt, indem wir rosafarbene Muffins in Brustform gebacken haben, die gratis verteilt wurden. Die „Titti-Muffins“ sorgten damals überregional für Furore.

Dortmunder Volksbank: Welche Schwierigkeiten und Hindernisse erleben Sie derzeit?

Heiner Fischer: Die Bürokratie mit ihrer überbordenden Dokumentationspflicht macht uns zu schaffen. Für ein kleines Unternehmen wie uns ist vieles einfach überflüssig. Wir haben Mitarbeiter*innen, die selber nachdenken, und so soll es ja auch sein. Da braucht man diese kleinteiligen Reglementierungen nicht. Was noch zu denken gibt, ist die Tatsache, dass man kaum noch junge Leute findet, die bereit sind, frühmorgens in der Backstube zu stehen. Aber in diesem Jahr hoffen wir, wieder neue Azubis zu finden. Nachwuchs ist wichtig und im Handwerk ist Ausbildung Gold wert. Nur so können wir unseren Personalstamm von 20 kompetenten Mitarbeiter*innen auf Dauer erhalten, und genau das wollen wir.

Dortmunder Volksbank: Und was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Heiner Fischer: Wir wollen unsere Funktion als Dortmunder Traditionsbäckerei weiterleben und die Herausforderungen des Alltags bestmöglich meistern, um mit unseren handwerklichen Backwaren die Leute glücklich zu machen.

Dortmunder Volksbank: Bringen Sie Ihren Familienerfolg auf einen Nenner: Gibt es einen Leitspruch?

Heiner Fischer: Weitermachen, denn Brot ist Leben und Kuchen ist Glück.

Dortmunder Volksbank: Herr Martens, Ihnen gehört das letzte Wort. Was schätzen Sie an der Zusammenarbeit mit Fischer am Rathaus?

Michael Martens: Gutes bleibt, weil Qualität unverzichtbar ist. Das zeigt sich einmal mehr an der Traditionsbäckerei Fischer am Rathaus.